Keine Rede vom Metaverse
Das ist doch eine neue VR-Brille, dachte man auf den ersten Blick. Denn in der Präsentation fehlte von Worten wie Metaverse oder VR jede Spur. Spatial Computing ist der Begriff der Stunde. Die Vision Pro projiziert im Vorstellungsvideo eine Desktop-Oberfläche in Überlebensgröße vor das Auge des Benutzers. Nicht weniger als eine “neue Ära des Computers” verspricht Apple-Chef Tim Cook.
Klassische VR-Features
Gleichzeitig lockt die Vision Pro mit „klassischen” VR-Features wie immersiven 3D-Videos und Blockbuster-Filmen, die man sich direkt vor die Augen projizieren lassen kann. Ob das ganze nun Metaverse, VR / AR oder doch Spatial Computing ist, ist für mich zum aktuellen Zeitpunkt Wortklauberei. Es ist auf jeden Fall eine mittelgroße Ansage von Apple an die Konkurrenz. Und ein Weckruf für das Themenfeld.
Denn in (Online-)Diskussionen trat das Thema in den vergangenen Monaten eher in den Hintergrund. KI ist das neue Next Big Thing, das die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Nicht verwunderlich: KI lässt sich einfacher „ausprobieren”: Jeder kann mit Chat-GPT experimentieren, aber nicht jeder hat eine VR-Brille zu Hause rumliegen. Genauso gibt es schon jetzt viele Anwendungsbeispiele für KI-Technologien, bei Metaverse-App ist viel noch in den Kinderschuhen. Zwar haben große Hardware-Hersteller schon VR-Brillen im Angebot, aber mit letzter Konsequenz werden diese nicht gefüttert. Bei Samsung gab es mal eine „Brille”, in die man sein Smartphone stecken konnte, um leidlich Augmented Reality zu erleben. Sony hat für die Playstation schon länger VR-Kompatibilität, aber auch im Gaming-Bereich gibt es bislang nur bessere Mini-Spiele. Meta möchte natürlich, dass wir alle die Meta-Quest benutzen. Aber ich frage mich: Was sollen wir damit? Es fehlen die konkreten Anwendungsbeispiele, die über Gaming und Tech-Demos hinweggehen. Doch könnte Apples neues Headset Vision Pro der Dosenöffner für das Thema sein?
Die iPhone Erfahrung
Beim stolzen Preis von 3.500 Dollar klingt das erstmal nach einer steilen Thesen. Denn bei dem, was Apple da preislich aufruft, ist klar: Das wird erstmal ein totales Luxusprodukt. Aber: Genau das waren iPhone, iPad und Apple Watch zu Beginn auch. Bis die Konkurrenz irgendwann erschwingliche Produkte, die qualitätsmäßig daran anschließen konnten, entwickelt hat. Apple musste nachziehen und mit den Preisen runtergehen. Apple war in der Vergangenheit oftmals Trendsetter, von dessen Innovationen sich Technologien in der Masse etabliert haben.
Apple präsentiert sich beim Vision Pro aus meiner Sicht aber nicht als der große Innovator, der man vielleicht unter Steve Jobs war. Stattdessen befand man sich lange in Lauerstellung – und liefert nun eine vermeintlich „perfektionierte” Variante der Konkurrenzprodukte. Bei der Vision Pro kommt man komplett mit Handbewegungen aus und braucht nicht wie bei anderen zusätzliche Headsets oder weitere Gerätschaften zur Bedienung. Heißt einfach ausgedrückt: Bisherige Apps müssen extra umprogrammiert werden oder sind nicht brauchbar. Gerade bestehende Games werden zu Anfang nicht funktionieren. Hier wird Apple wie gewohnt eine eigene App-Umgebung erschaffen. Die Vision verspricht, dass man sowohl damit arbeiten können soll, aber auch seinen Spaß hat. Das Vision Pro ist gleichzeitig auch eine 3D-Kamera, mit der man dann andere User in seine Erinnerungen eintauchen lassen kann. Im Grunde ist das Gerät die iPhone-Erfahrung weiter gedacht ins Metav… Entschuldigung, Spatial Computing.
Interessante Use Cases
Gerade die eingebaute Kamera könnte hier für einige sehr interessante Use Cases und ganz neue Geschäftsmodelle sorgen. So wäre etwa denkbar, dass man eine 3D-Kamera in komplexe Industriemaschinen schickt und per Vision Pro direkt sehen kann, wo Fehler vorliegen. Oder es könnte der nächste Schritt beim Omnichannel werden und den POS und E-Commerce endgültig verbinden – indem Kunden sich den stationären Laden direkt ins Wohnzimmer projizieren und Produkte von Verkäufern vor Ort vorgeführt bekommen. Statt den Avataren und digitalen Produkten des Metaverses also eine deutliche „realere” Erfahrung. Die bekannten Augmented Reality Einsatzmöglichkeiten könnten durch die 360 Grad Kamera ebenfalls neue Bedeutung gewinnen, etwa bei der Raumplanung oder bei Baustellenbegehungen.
Und was heißt das jetzt?
Ich denke, dass die Vision Pro für einen gesunden Grund-Buzz sorgen wird. Die ersten Einschätzungen von Journalisten loben das Gerät. Wie von Apple gewohnt, funktioniert es einfach und bietet eine nahtlose User Experience. Wer sich vor ein paar Jahren mal eine VR-Brille gekauft hat, hat ein wenig damit herumgespielt und danach fing sie Staub. Die Vision Pro soll als echter Computer-Ersatz fungieren. Wenn ihr das gelingt, könnte sie ganz neuen Schwung in die Thematik bringen. Weniger mit bunten Avataren, aber echtem Mehrwert. Eine günstigere Version könnte dann pünktlich Ende 2025 in den Läden stehen. Genau dann also, wenn genug Leute darüber schwärmen.