Auf der diesjährigen Jahrestagung in Davos waren die Themen Handel und Investitionen das übergreifende Thema. In den letzten 12 Monaten erreichte der Welthandel trotz der hohen Inflation, trotz der seit der COVID-19-Pandemie anhaltenden Probleme in den Lieferketten, trotz geopolitischer Krisen wie dem Einmarsch Russlands in die Ukraine und trotz der Diskussionen über Deglobalisierung und geoökonomische Fragmentierung ein Rekordvolumen von 32 Billionen US-Dollar.
Dennoch besteht die Sorge, dass verschiedene Faktoren zu einem erheblichen globalen Wirtschaftsabschwung führen werden. Teilnehmer des Treffens in Davos wie Kristalina Georgieva, die Geschäftsführerin des Internationalen Währungsfonds, forderten die Regierungen und den Wirtschaftssektor auf, “pragmatisch zu sein und zusammenzuarbeiten” und “die Weltwirtschaft zu unser aller Nutzen zu vernetzen”.
Wie wird es weitergehen? Hier die wichtigsten Statements der Woche, direkt aus Davos.
Erstes Kernthema:
“Trotz aller Probleme, die wir heute mit den globalen Grundgütern haben, können wir sie nicht ohne Multilateralismus, Zusammenarbeit und Handel lösen. Wir sollten das Kind nicht mit dem Bade ausschütten.”
Ngozi Okonjo-Iweala, Generaldirektorin der Welthandelsorganisation (WTO)
Zweites Kernthema:
Den Handel als umweltpolitisches Instrument nutzen
So zumindest, wenn es nach der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, geht. Sie nannte den Handel als eine der vier Säulen des “Green Deal” der EU. Während die Länder ihre Net-Zero-Industrie- und Energiewendepläne umsetzen, werden belastbare Lieferketten und offene Märkte entscheidend sein, um den Zugang zu Rohstoffen und Komponenten zu gewährleisten, die für die Dekarbonisierung wichtig sind.
Die EU sieht im Handel eine wichtige Rolle bei der Verringerung der Abhängigkeiten von monopolistischen Lieferketten für kritische Materialien wie Lithium und seltene Erden. “Wettbewerb und Handel sind der Schlüssel zur Beschleunigung von sauberer Technologie und Klimaneutralität”, sagte deshalb von der Leyen.
Da der EU-eigene Mechanismus zur Anpassung der CO2-Grenzen (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) bei manchen Experten nach wie vor für Diskussionen über seinen protektionistischen Charakter sorgt, wird es interessant sein zu beobachten, wie sich die Maßnahmen zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit im Bereich der CO2-Emissionen auf der ganzen Welt entwickeln werden, um auf dem Weg zur Klimaneutralität gleiche Bedingungen zu schaffen.
Drittes Kernthema:
Die Globalisierung und ihre Entwicklung
Da sich die Globalisierung angesichts der sich wandelnden geopolitischen, demografischen und ökologischen Gegebenheiten weiterentwickelt, muss sie sensibler für Arbeitsfragen und Ungleichheit werden. Die einseitige Konzentration auf das kostengünstigste Modell der Globalisierung muss einem Modell weichen, das auch ökologische und soziale Zwänge berücksichtigt.
Wir müssen die Betroffenen besser einbinden, um die Rechte der Arbeitnehmer und die Sorgfaltspflicht in den Lieferketten besser in unsere Wirtschaftssysteme zu integrieren und umzusetzen. Oder wie es die Handelsbeauftragte der Vereinigten Staaten, Katherine Tai sagte:
„Wir dürfen bei der neuen Version der Globalisierung nicht aus den Augen verlieren, wer von unserer Vision und den wirtschaftlichen Möglichkeiten, die wir schaffen wollen, profitieren soll. Und das heißt, wir dürfen die Menschen nicht aus den Augen verlieren, die unsere Volkswirtschaften ausmachen, die nicht nur Verbraucher sind, sondern auch Arbeitnehmer, Familienangehörige und Mitglieder unserer Gesellschaft.“
Katherine Tai, Handelsbeauftragte der Vereinigten Staaten
Außerdem betonte man auf dem Weltwirtschaftsforums, dass ein überarbeitetes Globalisierungsmodell auch den indigenen Völkern besser gerecht werden müsse, indem es ihre Land-, Kultur- und Eigentumsrechte anerkennt und in ihre Unternehmen und Gemeinschaften investiert.
Viertes Kernthema:
Koalition der Wirtschaftsminister zum Thema Klima
Die Wirtschaftsminister Ecuadors, der Europäischen Union, Kenias und Neuseelands waren federführend bei der Gründung einer Koalition von Wirtschafts- und Handelsministern zum Thema Klima, der jetzt über 50 Minister angehören. Die Koalition wird hochrangige politische Vorgaben und Leitlinien zur Förderung einer umfassenden internationalen Zusammenarbeit an der Schnittstelle von Klima, Handel und nachhaltiger Entwicklung bereitstellen.
Als Reaktion auf die Notwendigkeit, dass Klimamaßnahmen und Handelspolitik zusammenarbeiten, wird die Koalition die Zusammenarbeit zwischen den Ministern, die sich mit Klima, Entwicklung, Umwelt und Finanzen befassen, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene verbessern. Die derzeitige Mitgliedschaft in der Koalition spiegelt Länder aus allen Regionen, mit unterschiedlichem Entwicklungsstand und unterschiedlicher Klimaanfälligkeit wider.
“Wenn wir eine wirklich globale Antwort auf den Klimawandel wollen, müssen wir auf nationaler und internationaler Ebene mit anderen Ministern zusammenarbeiten, die sich u. a. mit Klima, Umwelt, Finanzen und Entwicklung befassen; wir müssen diese verschiedenen Punkte besser miteinander verbinden.”
Valdis Dombrovskis, EU Kommissar für Handel
Fünftes Kernthema:
Deutschland und Südkorea
Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte die Absicht Deutschlands an, bis 2045 klimaneutral zu werden und dabei einen starken Industriesektor zu behalten. Er begrüßte den Beitritt neuer ehrgeiziger Mitglieder zum internationalen Klimaclub, den Deutschland im vergangenen Jahr als Gastgeber der G7 ins Leben gerufen hat. Der Bundeskanzler unterstützte die umweltpolitischen Ziele des US-amerikanischen Inflationsbekämpfungsgesetzes, wies jedoch darauf hin, dass die Anforderungen an den regionalen Beitrag nichtamerikanische Unternehmen diskriminieren und Innovation, Wettbewerb und Klimaschutzmaßnahmen behindern könnten.
Der Präsident Süd Koreas, Yoon Suk Yeol, erörterte die Fragmentierung der globalen Lieferketten und erklärte, dass der Handel ein globales öffentliches Gut sei und der internationale Handelsrahmen auf Multilateralismus und globalen Standards beruhen sollte. Ausserdem wies er darauf hin, wie wichtig die Widerstandsfähigkeit der Lieferketten für die Sicherung eines nachhaltigen Wohlstands, den Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft, die Bewältigung der Klimakrise, die Energiesicherheit und eine neue digitale Ordnung ist.
Sechstes Kernthema:
Forderung nach Investitionserleichterungen
Mehr als 50 WTO-Mitglieder bekräftigten ihre Unterstützung auf höchster Ebene für den jüngsten Entwurf eines Abkommens über Investitionserleichterungen für Entwicklung (IFD) bei der WTO. Ziel des IFD-Übereinkommens ist die Schaffung eines transparenten, effizienten und investorenfreundlichen Geschäftsklimas, das es den Regierungen von Gast- und Herkunftsländern erleichtert, nachhaltige und entwicklungsorientierte Investitionen anzuziehen und zu halten. Der Initiative gehören 112 WTO-Mitglieder an, darunter 77 Entwicklungsländer, von denen 20 zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Welt gehören.
Experten, die auf dem Gebiet der Klimapolitik und des Finanzwesens tätig sind, waren sich einig, dass Investitionsförderungsagenturen (IPAs) eine wichtige Rolle bei der Beschaffung von ausländischen Direktinvestitionen spielen können, die zur Erreichung der Klimaziele beitragen. Die Fachleute forderten das Forum auf, sich mit Regierungen und Unternehmen über die mögliche Gründung einer Coalition of Investment Promotion Agencies for Climate (CIPAC) zu beraten.
Siebtes Kernthema:
Ankündigung von TradeTech
Die Vereinigten Arabischen Emirate kündigten eine Absichtserklärung mit dem Weltwirtschaftsforum zu TradeTech an, um die Anwendung neuer Technologien der Industrie 4.0 im Handel zu erproben, und so den Handel zu erleichtern. Thani Ahmed Al Zeyoudi, Staatsminister für Außenhandel der Emirate, erklärte, dass “Technologie in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Verbesserung der Effizienz unserer Abläufe spielen wird”. Verantwortliche aus dem internationalen Handels- und Finanzsektor waren sich einig, dass der Einsatz von Technologie den Welthandel verbessern und ihn widerstandsfähiger und zugänglicher machen kann, während gleichzeitig Hindernisse wie digitale Kluft, unzureichender Zugang zu Finanzmitteln und fehlende Vorschriften und Standards beseitigt werden.
So viel als kleine Zusammenfassung zu Davos 2023.